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Inhaltsübersicht

Andrea Maihofer
Andere Familienformen – neue Geschlerchterarrangements

Karin Grütter
Ist die Schule zu weiblich?

Andrea Günter
Jenseits der Andersheit: Die weibliche Politik der Differenz

Silvia Strahm Bernet
Gleich aber anders

Stefanie Gass
Dazugehören oder ausgeschlossen bleiben
Ein- und Ausschluss im Migrationskontext

Jaqueline Sonego Mettner
«damit es anders anfängt zwischen uns allen»


EDITORIAL

Monika Hungerbühler

Am Samstag 4. September 2004, findet in Basel die 3. Schweizer Frauensynode unter dem Motto «anders wie denn sonst?» statt. Diesen Anlass möchten wir FAMA-Redaktorinnen für einmal in besonderer Weise würdigen, indem wir ein Heft der FAMA diesem Thema widmen und ergänzend zur Synode einen eigenen, zum Teil auch theoretischen Zugang beitragen wollen. In den Händen halten Sie nun, liebe Leserin, lieber Leser, das Produkt unseres Nachdenkens und unserer Diskussionen zum Thema «anders – wie denn sonst?» Als Autorin konnten wir auch die Hauptreferentin der Frauensynode, Andrea Maihofer, Inhaberin des Lehrstuhls für Gender Studies (in der Universität Basel, gewinnen. Des Weiteren wird das Thema von einer Philosophin ‹(Andrea Günter), einer Ethnologin (Stefanie Gass), einer Theologin (Jacqueline Sonego Mettner) und einer Historikerin (Karin Grütter) unter die Lupe genommen. Und auch eine feministische Glosse (Silvia Strahm Bernet) darf natürlich nicht fehlen! Was bei unserem Heft herausgekommen ist, ist wie so oft – anders als wir es uns an unserer Redaktionssitzung gedacht haben. Es lebe die Differenz, die Andersheit, die Verschiedenheit! Lesen Sie selbst!

Die Frauensynode ist ein spirituellpolitisches Frauenprojekt, das bereits eine knapp zwanzigjährige Geschichte hat. Blenden wir kurz zurück: 1986 traf sich eine Initiativgruppe, welche die Idee eines Schweizer Frauen-KirchenTages aufnahm und 1987 zum ersten Schweizer Frauen-Kirchen-Fest nach Luzern einlud. Unter dem Titel «Frauen in der Kirche – Kein Platz? Ein Platz? Mein Platz?» versammelten sich am 24. Oktober 750 Frauen und hörten den Aufruf der unterdessen verstorbenen Germanistin und Theologin Marga Bührig «Wir Frauen sind Kirche – worauf warten wir noch?» Die grosse Teilnehmerinnenzahl ermutigte die Organisatorinnen weiter zu machen – der Verein Schweizer Frauen-Kirchen-Fest wurde gegründet. Im Frühling 1990 fand in Interlaken das zweite Schweizer FrauenKirchen-Fest statt, an dem über 1000 Frauen zur Frage «Frauen – Macht Kirche» einen Tag lang arbeiteten und feierten. Bereits zwei Jahre, später – 1992 pilgerten wieder 1000 Frauen nach Basel, wo das Arbeitsmotto «Der Hoffnung liebliche Töchter – Zorn und Mut>, lautete. Angesteckt von der Idee einer Frauensynode, die bereits in Holland, Deutschland und Österreich Fuss gefasst hatte, fand 1995 in St. Gallen die 1, Schweizer Frauensynode statt. Wieder kamen 1000 Frauen zusammen zum Thema «Frauenarbeit zwischen Chrampf und Befreiung». An dieser ersten Frauensynode wurde beschlossen, die Anliegen im Bereich «Frau und Arbeit>, sowohl innerhalb des Vereins wie auch in einzelnen beteiligten Verbänden und Gruppierungen weiter zu bearbeiten. Die zweite Schweizer Frauensynode fand im Herbst 2000 in Biel zum Thema «Sichtwechsel – Schichtwechsel» statt. Heute nun, vier Jahre später schaut die Frauensynoden-Bewegung nicht nur auf zahlreiche Schweizer und regionale Frauenkirchen-Anlässe, sondern auch auf zwei Europäische Frauensynoden zurück: 1996 in Gmunden (Österreich) und 2004 in Barcelona (Spanien).

Anders – wie denn sonst.? So lautet nun das Motto der 3. Schweizer Frauensynode. Im Programm der Frauensynode heisst es dazu einleitend: «Das Thema der 3. Schweizer Frauensynode ist beeinflusst von der Region beider Basel mit ihrer multikulturellen Tradition, ihren hervorragenden Integrationsprojekten, ihrer Dreiländer-Position, ihrer Stadt-LandAuseinandersetzung und ihrer toleranten humanistischen Vergangenheit. Wir verbinden Politik und Spiritualität miteinander und ermöglichen Begegnungen von Frauen mit Frauen, Frauenorganisationen, Expertinnen, Einsteigerinnen, Neugierigen. Frauen müssen sich heute vielen Herausforderungen und Veränderungen stellen. Ihre Vielfalt der Lebensenwürfe, ihre Talente, ihre Erfahrungen und Kreativität machen sie zu Expertinnen im Alltag, im Beruf, in der Familie, in der Kirche und in der Politik. Wie können wir miteinander leben, wie gehen wir mit den Andersheiten und Verschiedenheiten um? Frauen leben farbig, vielfältig, anders.»

Diversity, Differenz, Verschiedenheit … sind Stichworte, die heute überall herumschwirren. Differenz ist ein Begriff, der in der Alltagssprache negative Assoziationen auslöst. «Es gab Differenzen … » oder « wir haben uns zur Differenzbereinigung getroffen … ». Bei Auseinandersetzungen setzt matt sich aus-einander und denkt sofort zwei verschiedene Lager, wo einander entgegen Gesetzte ihre Positionen klar machen und verteidigen, Der Begriff der «Geschlechterdifferenz» wurde von vielen Männern «als eine Kampfansage verstunden» (Annemarie Pieper) und hat entsprechende Mechanismen der Abweinhervorgebracht: z.B. Lächerlichmachen von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen und unwirsches Abtun von «feministischer» Propaganda. Differenz ist in den letzten Jahren aber auch in der feministischen Disskussion zu einem Schlüsselbegriff geworden. Die Unterschiede zwischen Frauen, ihre Unterschiedlichen sozialen, politischen, ökonomischen, kulturellen und religiösen Kontexte, rückten in den Mittelpunkt und die Anerkennung der Vielfalt und Verschiedenheit von Frauen wurde zum zentralen Postulat. Frauen sind divers – «Ich bin gross, ich hin schwarz, ich bin anders sagt die berühmte Tennisspielerin Venus Williams. Frauen sind nicht nur so, sondern so und so und so …. eben anders – wie denn sonst? Gibt es aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch so etwas wie eine Frauenbewegung ob all der Verschiedenheiten unter Frauen? Können wir überhaupt als Frauen noch Forderungen stellen, wenn sich «das Subjekt Frau» auflöst und wenn ja, wie? Was heisst Frauenverschiedenheit für das politische Handeln? Sind Frauen als Frauen noch handlungsfähig? Ist die Quotenfrage längst überholt, gar tabu? Ist Feminismus out oder – wie die Autorin Nicole Müller im Dezember 2003 zur Abwahl von Bundesrätin Ruth Metzler im Tagi schrieb – erfolgreich ausgemerzt? «Feminismus? Meine Güte, ist das nicht diese Geschlechtskrankheit, die wir inzwischen auskuriert haben? Ob Mann oder Frau – das trötet inzwischen jeder Durchschmttsbürger ins Mikrophon ist eigentlich egal. Hauptsache der Mann ist halbwegs gut. Dann ist es auch egal, wenn man auf die Frau verzichtet …»

Andersheit, Verschiedenheit, Diversity . .. sowohl die neue FAMA als auch die Frauensynode sind eine Einladung zum Nachdenken über Andersheiten.

2004_3_Ganzes Heft als PDF