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Inhaltsübersicht

  Was ist eigentlich jenseitiger: Das Reich Gottes im Hier und Jetzt zu denken oder es als etwas Jenseitiges beiseite zu schieben? Und was sagt die Rede vom Reich Gottes über unser Diesseits aus? Es ist ein altertümliches Wort, das im Wettstreit mit zahlreichen Utopien steht. Utopien können beides, Kraft verleihen oder lähmen, befreien oder einengen. Reich Gottes: Hoffnung, Vertröstung, Antriebskraft? Wenn es auch jenseitig sein mag, einseitig ist es auf keinen Fall, schon gar nicht aus feministischer Perspektive. Deshalb eine FAMA dazu!

Ursula Rapp
Unbehagliche Sehnsucht
Welt Gottes in biblischen Texten

Sabine Hayoz Kalff
Mögen alle Wesen glücklich sein

Irmi Seidl
Jenseits von Höher-Weiter-Schneller*
Feministische Wachstumskritik

Geneva Moser
Dich begehren
Eine tänzerische Annäherung an das Reich Gottes

Gabriela Wild
Utopie oder Dystopie?
Eine philosophische Alternative

Regula Strobel
Reich Gottes ganz alltäglich

Valeria Ferrari Schiefer
Wie im Himmel, so auf Erden

 

* Dieser Artikel ist auf famabloggt.wordpress.com


Editorial

Geneva Moser

Kürzlich habe ich das samstägliche Zopfbacken für mich entdeckt. Die handfeste Arbeit des Knetens, die schiere Banalität der Zutaten und das nährende Re- sultat, die Alltäglichkeit des Mehls und das festliche Geflecht – das gefällt mir. Und wenn der geknetete Teig dann da so steht, in der Schüssel, unter dem feuchtwarmen Tuch, dicht am Feuerofen und ich ihn am liebsten sofort gross und weit klopfen würde und stattdessen warten muss, es fast nicht aushalten kann, bis er wächst und luftig wird, ohne mein Zutun, dann muss ich manchmal ein bisschen an das Reich Gottes denken.

Unfassbar und visionär ist es: Es wird begehrt, herbei- gesehnt, steht für den Glauben an die gestaltbare Wirklichkeit einer gerechten Welt, für die Subversion, die Transformation, ja Revolution. Und auch ganz konkret ist es: Leiblich, materiell, alltäglich und un- spektakulär, ja selbstverständlich. Eine kleine Geste, ein einfaches Wort, Zopfteig eben.

Für diese Heftausgabe haben wir in alten Rezepten gewühlt, gemischt, geknetet, geklopft und ge- schlemmt. Das Reich Gottes hat uns in seiner Sperrig- keit und gleichzeitigen Leichtigkeit überrascht. Es zwingt uns zum Hinschauen zu der totalitären Ge- waltgeschichte, die das Wort «Reich» und auch die Idee einer «Utopie» stets mittransportieren, und es motiviert uns gleichzeitig, festzuhalten am visio- nären Potential von Religion und Spiritualität – in diesem Spannungsfeld bewegt sich dieses Heft zum «Reich Gottes».

Wenn der geknetete Teig am Samstagabend dann da so steht in der Schüssel, und ich mit ihm warte, dann denke ich, dass im Teig drin auch die Sehnsucht nach Veränderung eingeknetet ist, und das Scheitern da- ran gleich mit dazu, das spannungsvolle, manchmal enttäuschende Widerspiel zwischen Traum und Rea- lität, zwischen Himmel und Erde, die einander im Teig ein Stück näher gekommen, zueinander hin gerückt sind und nun Zeit zum Auf-Gehen brauchen. Dieses Auf-Gehen bleibt unfassbar, und es ist gleichzeitig konkret. Ganz so wie das Himmelreich, das Reich Gottes, die Gottes Welt.