Inhaltsübersicht

Silvia Strahm Bernet
Von Frauen und Helden

Silvia Schoer
Gepriesen vor allen Frauen
Biblische Heldinnen

Barbara Seiler
C.B.
Eine Heldin entsteht

Frigga Haug
Lesbe oder Hetera
Heldinnen für unsere Befreiung

Dorothee Dietrich im Gespräch mit Marianne Schneider
Mama, Robinson oder Ronja
Brauchen Mädchen Heldinnen?

Heldinnen-Tafel


Editorial

Mit der Definition, was eine Heldin ist, geht es nicht so einfach. Die Heldin hat im Duden eine eigene Definition, die sich grundlegend von der des Helden unterscheidet. Ja, es ist gar ein Begriff, der als gehoben und selten bezeichnet wird. Er wird angewandt für eine besonders tapfere, opfermütige Frau, die sich für andere einsetzt oder eingesetzt hat. Da muss es ja millionenfach Heldinnen gegeben haben und geben! Ist es nicht die Erwartung von Traditionalisten und Fundamentalisten an die Frau, dass sie sich für andere einsetzt, und verlangt nicht gerade das Tapferkeit und Opfermütigkeit?

Sicher ist es nicht das, wonach aufmüpfige, rebellische, feministische Mädchen und Frauen suchen, wenn sie sich an weiblichen Handlungsträgerinnen in literarischen Werken orientieren, denen auch nach Duden die Bezeichnung Heldin zugestanden wird. Auch sie fragen danach, was diese Aussergewöhnliches, Mutiges tun oder getan haben, Heldenhaftes eben, das im besonderen auch das traditionelle Rollenbild der Frau sprengen und so Vorbildfunktion bekommen kann.

Genügt es, wenn wir die Definition übernehmen, die bis anhin für den Helden reserviert war? Jene Männer also, die sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe gestellt, eine ungewöhnliche Tat vollbracht haben und von daher in die Geschichte eingingen. Männlichen Helden haftet doch meistens etwas Heroisches, fast Übermenschliches, Göttliches an. Ist das auch auf die Frauen übertragbar?

Den meisten Menschen, Männern wie Frauen, fallen schnell einmal viele Namen von Helden aus allen Epochen der Geschichte ein. Durch die Sammlung von tausenden, ja zehntausenden Daten über heldenhafte Frauen erfährt diese Geschichte eine notwendige Korrektur oder Ergänzung. Die Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf Frauen, die in jenen Kreisen lebten, in denen es auffallende mit den männlichen Taten vergleichbare Leistungen zu vollbringen gibt. Kunst, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft.

Sie bilden denn auch den Fundus dafür, wenn sich Frauen heute fragen, was für sie eine Heldin ist.

Die Frage lässt sich aber noch nicht schlüssig beantworten. Vielleicht wird es dann sein, wenn auch in den Frauenlexika der Begriff Heldin Eingang gefunden hat. In sämtlichen von mir konsultierten feministischen Lexika und Wörterbüchern habe ich vergeblich nach dem Begriff Heldin gesucht.

So bleibt vielleicht im Moment gar nichts anderes, als den Begriff pro behalber synonym zu verwenden und ich habe mich daran gemacht, die Sprache dementsprechend anzupassen. Heldinnenhaft, Heldinnenmut. Schöne Worte. Sie gefallen mir. Ich lasse sie genüsslich auf der Zunge zergehen und mache gleich weiter mit dem Enttarnen der Begriffe. Geht es z. B. an, Heldinnenbrust zu sagen oder Heldinnendarstellerin, Heldinnendichtung, Heldinnenlied, Heldinnensage, Heldinnentat, Heldinnensopran, Heldinnentod und Heldinnenfriedhof? Bei diesen zwei letzten Begriffen vergeht mir allerdings das Lachen. Gross sind die Friedhöfe, auf denen die im Krieg der Geschlechter gefallenen Frauen liegen. Aber wie tönen Redewendungen wie: sie spielt sich gerne als Heldin auf, du bist ja eine schöne Heldin, ihr seid mir zwei traurige Heldinnen, darin bin ich keine Heldin, sie ist die Heldin des Tages?

Nur im Lexikon der Frau, das 1956 in Zürich erschienen ist, fand ich einen Begriff, der Held und Frau enthält. Heldenmutter. Da also sind Frauen erwähnt. Dadurch, dass sie die Helden hervorbringen, werden auch sie als ungewöhnlich beschrieben und haben dadurch Anteil am Ruhm des Sohnes.

Nun ist aber das Problem mit der Definition noch immer nicht gelöst. Manchmal ist frau versucht zu sagen, dass eine Frau bereits eine Heldin ist, wenn sie es schafft, während Tagen und Wochen oder gar Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten und -tausenden immer wieder im Gespräch zu sein, hervorgeholt wird, um bestimmte Sachverhalte zu erläutern, um an ihr geschichtliche Entwicklungen, entscheidende Veränderungen aufzuzeigen. Nicht jede berühmte Frau ist bereits eine Heldin, aber das ist ja bei den Männern auch nicht anders. Sinnigerweise kommt in den feministischen Lexika meistens der Begriff «Heilige» vor. In einem Lexikon fand ich eine schlichte Definition von «heilig». «Das Ausseralltägliche». Wäre nicht das auch die Minimaldefinition für Heldin? Für mich auf jeden Fall sind Heldinnen Frauen, die die patriarchale Welt bewegen und verändern.

Cornelia Jacomet

1994_4_Ganzes Heft als PDF