Elisabeth Schüssler Fiorenza zum 60. Geburtstag

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Inhaltsübersicht

Christine Schaumberger
Eine Theologie, notwendig und stärkend wie Brot

Hedwig Meyer-Wilmes
Frauenkirche
Interpretationsforum von (Un-)Gleichen

Silvia Schroer
Das Buch der Weisheit
Eine feministische Lektüre auf dem Hintergrund zeitgenössischer Quellen

Regula Strobel
Brot – nicht Steine
Elisabeth Schüssler Fiorenzas Hermeneutik in der Pfarreiarbeit

Gina Schibler
Der Mensch als Text
Vom Irrtum und Reichtum unserer Lebensgeschichte

Eva Renate Schmidt
Die Hermeneutik des Verdachts
Diagnoseprinzip für Organisationen


EDITORIAL

Die feministische Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza feiert dieses Jahr ihren 60. Geburtstag. Dies ist für uns FAMA-Redaktorinnen Anlass, mit dem vorliegenden Heft das Werk einer der weltweit bekanntesten Befreiungstheologinnen zu würdigen, die seit über dreissig Jahren immer wieder neu entscheidende Impulse für die Entwicklung einerfeministischen Hermeneutik (Lehre vom Verstehen und Interpretieren von Texten) und einerfeministischen Befreiungstheologie gegeben hat, die der Befreiung und dem Wohlergehen aller Frauen, nicht nur weisser Mittelstandsfrauen dienen will. Ihre kritisch-feministischen Denkansätze und vor allem ihre Arbeiten zu einer feministischen Interpretation der Bibel haben unzählige Theologinnen beeinflusst – sowohl in der Ersten wie in der Dritten Welt.

Elisabeth Schüssler Fiorenza, die in Deutschland studiert und in neutestamentlicher Theologie promoviert hat, lebt seit vielen Jahren in den USA. Sie war Anfang der 70er Jahre Professorin für Theologie an der University of Notre Dame, anschliessend Professorin für neutestamentliche Studien an der Episcopal Divinity School in Cambridge (Massachusetts) und lehrt seit 1988 als Professorin für Neues Testament an der renommierten Harvard Universität in Cambridge. Daneben hält sie auf Einladung von Universitäten und Frauenkirchen auf der ganzen Welt immer wieder Gastvorlesungen und Vorträge. Sie ist die erste weibliche Präsidentin der «Society of Biblical Literature» und Mitbegründerin und Mitherausgeberin des seit 1985 erscheinenden «Journal of Feminist Studies in Religion». Wir möchten das grundlegende und wegweisende Werk von Elisabeth Schüssler Fiorenza würdigen, indem wir nach den «Früchten» ihrer theologischen Arbeit fragen: Wo und inwiefern hat sie auf andere Theologinnen inspirierend gewirkt? Wie und wo hat ihr theologischer bzw. hermeneutischer Ansatz Früchte getragen? Wir haben den Fokus für diese Fragestellung auf unseren, d.h. den europäischen oder genauer den deutschsprachigen Kontext gelegt, da es uns um die Würdigung der «Früchte» von Elisabeth Schüssler Fiorenzas Arbeit in unserem eigenen Kontext geht. Wir möchten damit gleichzeitig einem feministisch-theologisch interessierten Publikum bei uns ihre theologischen und hermeneutischen Ansätze näher bringen, da diese über den Kreis der Theologinnen hinaus leider noch wenig bekannt sind. Eröffnet wird dieses Heft deshalb auch mit einer Einführung in Elisabeth Schüssler Fiorenzas Modell einer kritisch-feministischen Befreiungstheologie und Hermeneutik. Die deutsche Theologin Christine Schaumberger, die seit vielen Jahren mit dem hermeneutischen Ansatz von Elisabeth Schüssler Fiorenza arbeitet und selber massgeblich zur Entwicklung einer feministischen Befreiungstheologie im deutschen Kontext beigetragen hat, führt in das Werk von Elisabeth Schüssler Fiorenza ein. Sie verbindet diese Einführung zugleich mit einer Würdigung ihrer Bedeutung für die feministische Theologie. Die in den Niederlanden arbeitende deutsche Theologin und Universitätsdozentin Hedwig Meyer-Wilmes geht in ihrem Artikel auf Elisabeth Schüssler Fiorenzas Konzept der Frauenkirche, «Wo/men-ekklesia», ein und zeigt dessen politische «Früchte» auf. Silvia Schroer, Professorin für Altes Testament und Biblische Umwelt an der Universität Bern, greift in ihrem Beitrag ein anderes wichtiges Thema von Elisabeth Schüssler Fiorenzas Arbeit auf: die Weisheitstheologie. Angeregt durch die Wiederentdeckung der biblischen Weisheitstraditionen durch Elisabeth Schüssler Fiorenza beschäftigt sich die Autorin seit vielen Jahren mit der personifizierten Weisheit in den Schriften der Hebräischen Bibel. In ihrem Beitrag, einer feministischen Lektüre des «Buches der Weisheit», bezieht sie neben Texten auch die Bildkunst als eine wichtige Quelle des Verstehens ein. Regula Strobel, feministische Theologin und FAMA-Mitbegründerin, zeigt in ihrem Artikel an einem konkreten Beispiel auf, wie mit dem hermeneutischen Ansatz von Elisabeth Schüssler Fiorenza in der Pfarrei gearbeitet werden kann und wie er Frauen und Männer verändert. Einen anderen praktischen Anwendungsbereich für Elisabeth Schüssler Fiorenzas Hermeneutik hat Gina Schibler, Studienleiterin im evangelischen Tagungszentrum Boldern, entdeckt. Ihr Beitrag geht nämlich den «Früchten» des hermeneutischen Ansatzes von Elisabeth Schüssler Fiorenza für die Seelsorge und die Erwachsenenbildung nach bzw. sie wendet ihn in kreativer Weise auf die Seelsorge und Erwachsenenbildung an. Ein weiteres spannendes Praxisfeld für den hermeneutischen Ansatz von Elisabeth Schüssler Fiorenza kommt im Artikel von Eva Renate Schmidt, Theologin, Supervisorin und Organisationsberaterin, zur Sprache: Die Hermeneutik des Verdachts als Diagnoseprinzip für Organisationen wie z.B. die Kirchen. Wie dieser kurze Überblick über die Artikel in unserem FAMA-Heft deutlich macht, hat Elisabeth Schüssler Fiorenzas theologische Arbeit eine Fülle verschiedener und vielgestaltiger Früchte getragen – und die hier beschriebenen sind ja längst nicht alle. Wir hoffen deshalb, liebe Leserin und lieber Leser, dass wir Sie mit unserem Heft dazu anregen können, sich voller Neugier, Wissbegierde und Entdeckungslust in die Artikel und Bücher von Elisabeth Schüssler Fiorenza zu vertiefen, deren wichtigste wir in einer Literaturliste zusammengestellt haben. Vielleicht entdecken Sie dabei noch andere «Früchte» für Ihren eigenen Lebensbereich. Dir, liebe Elisabeth, wünschen wir FAMA-Redaktorinnen von Herzen alles Gute zu Deinem 60. Geburtstag. Wir danken Dir für all das, was wir bis heute von Dir lernen konnten, und freuen uns auf das, womit Du in Zukunft unser Denken schärfen und unsere Vision von einer anderen, gerechteren Welt nähren wirst. «Sei gesegnet, unsere Schwester Sei gesegnet auf Deinem Weg… Worte weisst Du zu sagen, auf Deine eigene Weise Und Sterne erhellen Deine Nacht Solltest Du jemals müde werden Und das Lied Deines Herzens ohne, Widerhall bleiben Dann denke daran, dass wir warten Um Dich wieder aufzurichten Und wir werden Dich segnen, unsere Schwester … » (Aus dem Segenslied von Marsie Silvestro)

Doris Strahm

1998_2_Ganzes Heft als PDF