Inhaltsübersicht
Eine vielstimmige Nummer mit Beiträgen zur Sprech-, Erzähl- und Singstimme, zur Stimme Gottes und der Frauen, und wie sie als Klänge, Geschichten oder Gerüchte gehört werden. Zu guter Letzt: Poetisches für leise und laute (Vor)lesestimme.
Reinhild Traitler
Fama est
Es geht das Gerücht
Nicola Ottiger
Stimme Gottes
Corinna Herr
Wer singt wie hoch und warum?
Singstimme und Geschlecht
Gabriela Wild
Lauschangriff
Eine Hörreportage
Moni Egger
Sie erhob ihre Stimme
Gehörte und ungehörte (Frauen)Stimmen im Alten Testament
Kerstin Rödiger
Es war einmal …
Gibt es feministisches Erzählen?
Jacqueline Sonego Mettner
So warm und doch stark
Persönliches über die Stimme als Arbeitsinstrument im Pfarramt
Jacqueline Sonego, Ursula Vock
Poetische Stimmen
EDITORIAL
Ihre Stimme gefiel mir von Beginn weg nicht. Ich war auf der Suche nach einer Körpertherapeutin und hörte nun die Ansprache auf ihrem Telefonbeantworter. Ohne Verlust hätte ich einfach wieder auflegen und mir eine sympathischere Stimme suchen können. Das tat ich aber nicht und habe es auch schon bald bereut. Hätte ich bloss auf meine innere Stimme gehört – ich hätte uns einige mühsame Sitzungen erspart. Wir haben uns einfach nicht verstanden. Wie bei Musikinstrumenten, die nicht in derselben Tonart gestimmt sind, half kein Drehen und Schrauben, kein noch so genaues Hinhören und aufeinander Eingehen. Unser Zusammenspiel erzeugte nichts als Misstöne. Mein Wohlbefinden verbesserte sich nicht, im Gegenteil: Nach den Therapiestunden hatte ich jeweils ein Stimmungstief. Etwas spät erst habe ich den unerspriesslichen Versuch aufgegeben, zu dieser Person den Draht zu finden. Die Episode zeigt, was mir eigentlich absolut einleuchtend scheint: So wie es Menschen gibt, die ich mehr oder weniger gern riechen mag, so kann mir auch der Klang einer Stimme eine Person mehr oder weniger sympathisch machen. Dass etwas gestimmt ist (und damit musikalischen Gesetzmässigkeiten entspricht) und stimmt (korrekt ist), hat miteinander zu tun. Dieser Zusammenhang ist in der deutschen Sprache offensichtlich. Ich war davon überzeugt, dass sich das Phänomen auch in anderen Sprachen zeigen liesse. Doch in den mir zur Verfügung stehenden Wörterbüchern wurde ich nicht fündig: Einen Zusammenhang zwischen Stimme und Stimmung im musikalischen und atmosphärischen Sinn gibt es weder im Latein, im Englischen noch im Französischen! Kann es also sein, dass die Verbindung nur für deutsch Sprechende so klar ist? Denken frankophone Menschen bei Stimmung eher an Farb-Töne? Englischsprachige vielleicht an die Beschaffenheit von Oberflächen? Immerhin habe ich auf meinem kleinen Streifzug durch die Wörterbücher etwas anderes entdeckt: Im Englischen hängen berufen, geweiht und VorkämpferIn oder AnhängerIn sein zusammen. Voice, Stimme, führt zu vocation, Berufung, und jemand, die ihre Stimme, ihr Votum, vote, abgibt und Stellung bezieht, ist eine geweihte Person, a votary/votaress, was auch enthusiastische VerfechterIn oder JüngerIn bedeutet. So eingestimmt wünsche ich viel Vergnügen auf Ihrer Entdeckungsreise ins FAMA-Reich der Stimmen.