vergriffen

Inhaltsübersicht

Prostitution heisst heute Sexarbeit, die Prostituierten Sexworker_innen. Eine Arbeit wie jede andere? In der Schweiz hat eine Sexworkerin pro Nacht durchschnittlich sechs Freier. Der maximale Tagesdurchschnitt liegt bei 30 Freiern. Eine Arbeit wie jede andere? Das Thema regt auf – warum eigentlich, wenn es eine Arbeit ist wie jede andere?
Die FAMA fragt nach feministischen Sichtweisen auf das Thema Prostitution. Kann es aus feministischer Sicht gute, selbstbestimmte Prostitution geben? Wem dienen welche Argumente in den Debatten zum Thema und welche Geschlechterbilder werden durch die Argumentation Pro oder Contra transportiert. Welches Geschlecht hat denn Angebot und Nachfrage, denn ein Freier hat ein anderes Image als eine Freierin und eine Prostituierte ein anderes als ein Callboy. Die FAMA wird das Thema nicht nur hinterfragen, sondern auch Graubereiche beleuchten und pointiert Stellung nehmen.

>>> Links zum Thema

Béatrice Bowald
Stachel im Fleisch
Zur Kontroverse um Prostitution

FAMA-Redaktion
Sex für Papiere *
Die Erlebnisse der Grace Okonkwo

Christine Stark
Verbot im Namen der Freiheit
Eine feministische Polemik

Jeannette Behringer
Prostitution ist Selbstbestimmung…
…wenn Frauen und Männer gleichberechtigt sind

Tania Oldenhage
Paulus und die Unzucht in Korinth

Gudrun Schnekenburger
Prostitution zur Zeit des Konstanzer Konzils

Christa Ammann und Myriam Stucki
Menschen wie du und ich
Zur Problematik gesetzlicher Regulierungen von Sexarbeit

* Dieser Artikel ist auf: famabloggt.wordpress.com


EDITORIAL

Nadja Troi-Boeck

Also doch: Es gibt sie, die «gute» Prostitution. Auf der Firefly, einem ziemlich heruntergekommenen Raumschiff, dessen Crew sich mit legalen und illegalen Transportaufgaben über Wasser hält, hat sich Inara Serra eingemietet. Eine Companion. Das ist eine hochgebildete, intelligente und angesehene – Prostituierte. Ihre KundInnen kann sich Inara selbst auswählen. Es ist ein angesehener Berufsstand im Raum der Planetenallianz. Wer der Companion nicht würdig ist – damit ist nicht die finanzielle Kaufkraft gemeint – wird von ihr nicht empfangen, denn die KundInnen müssen sich zuerst bei Inara bewerben. Inaras liebste Kundinnen sind Frauen. Wenn sie Frauen bedient, kann sie auch selbst Befriedigung erleben.
Aber eben: Inara ist nur eingemietet auf dem Raumschiff. Der Captain Malcolm Reynolds entscheidet, wohin das Schiff fliegt, und nur dort kann Inara jeweils KundInnen empfangen. Und natürlich hat sie ein Auge auf ihn geworfen, und er rettet sie aus Gefahr und missbilligt ihre Arbeit. Also doch nur eine Hollywood-Männer- Fantasie, die in der Science-Fiction-Serie «Firefly» natürlich von einem Mann produziert wird und doch keine Vision der «guten» Prostitution.
Kann es sie aus feministischer Sicht geben, die gute Prostitution? Sollte es die Frage überhaupt geben? Oder müsste ich als Feministin sagen, Prostitution darf es nicht geben? Kann von Prostitution als freiwillig gewählter Arbeit gesprochen werden? Kann überhaupt von Arbeit gesprochen werden? Dreissig KundInnen pro Tag bedient eine Prostituierte hier in der Schweiz durchschnittlich. Eine Verkäuferin an der Migroskasse bedient vermutlich wesentlich mehr KundInnen pro Tag, eine Kellnerin auch. Prostitution – eine Arbeit wie jede andere? Brauchen wir ein feministisches Nein zur Prostitution oder eine feministische Vision der guten Prostitution? Lassen Sie sich auf das Pro und Contra und die vielen Zwischentöne in diesem Heft ein. Mal schauen, was am Ende bleibt: Erschütterung, Bestätigung, Verwirrung oder eine klare Meinung.

2016_3_Ganzes Heft als PDF