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Inhaltsübersicht

«Da bin ich grad noch heil und unversehrt davongekommen» sagen wir manchmal. Aber eigentlich kann ich auch heil und versehrt zugleich sein, oder nicht? Was als versehrt betrachtet wird, ist kulturell geprägt: Ein Körper mit Narben? Mit Tatoos? Eine operierte Nase? Ein amputiertes Bein? Eine Seele mit Schrammen? Ein wundes Herz? Versehrtwerden gehört zum Menschsein, denn leben hinterlässt Spuren. Vor Gott, heisst es, sind wir angenommen mit allen Blessuren. Jedenfalls hat das Christentum eine seltsame Doppel-Beziehung zum versehrten Körper: Einerseits wird Maria als unversehrt beschrieben, andererseits hängen in den Kirchen lauter Gemarterte. Die FAMA stellt sich der Realität, dass uns das Leben versehrt: sich einschreibt mit seinen Begebenheiten in den Körper, und in Geist und Seele.

Ramona Jelinek-Menke
Die Attraktivität der «Versehrten»
Ein religionswissenschaftlicher Blick auf Christentum und Behinderung

Toni Dedio
«Dein Glaube hat dich gesund gemacht!?»
Kampfansage eine*r behinderten Christ*in

Amira Hafner-Al Jabaji und Christine Stark
Die Frage nach der Ewigkeit

Cécile Eder
versehrt
Was die Ankündigung dieses Themas mit mir gemacht hat.

Sarah El Bulbeisi
Von Generation zu Generation
Kollektives Trauma von PalästinenserInnen

Doris Reisinger
Vernarbte Seele
Wie tief spiritueller Missbrauch verletzt

Moni Egger im Gespräch mit Amina H. M.
Ich bin! Ich kann!

* Dieser Artitkel ist auf famabloggt.wordpress.com


Editorial

Ein offenbar veraltetes Wort gibt der vorliegenden FAMA ihren Titel, lese ich im Herkunftswörterbuch. Es drückt besser als seine Synonyme «verletzt», «ver­wundet» oder «beschädigt» aus, wovon Texte und Bilder dieses Hefts handeln. Es hat mit Schmerz zu tun und kaum ein Lebendiges kommt gänzlich unver­sehrt davon. Nichts Lebendes ist unverletzbar, nichts vor Schmerz gefeit, so es denn empfindsam ist. Aber selbst Unbelebtes kann verwundbar und fragil sein, das zeigen die Bilder der Basler Künstlerin Ste­phanie Grob. Die Verwundbarkeit des Lebens ist schon lange ein Thema, mit dem sie sich beschäftigt. Für un­ser Heft hat sie sich in die Bedeutung von Versehrtheit hineingefühlt, diese künstlerisch umgesetzt und si­cher fünfzig Entwürfe angefertigt. In ihrem Atelier im Dachstock eines ehemaligen Schulhauses darf ich die Bilder sichten.
Mit Tusche hat die Künstlerin hauchdünnes Japan­papier eingefärbt. Ich getraue mich kaum das durch­scheinende Material hochzuheben. Doch es ist stabiler als vermutet, denn es soll ja darauf gezeichnet werden können. Der verwendete «Stift» ist selber weiche und zerbrechliche Kreide. Ein gute Mischung aus Behut­samkeit und Energie ist nötig, um den Linien ihre Be­stimmtheit zu geben, die Versehrtes sichtbar machen. In Stephanie Grobs Atelier finde ich einige Spuren ihrer Studien der Verwundbarkeit: kleine, filigrane Schädel von Vögeln und Nagetieren, Gefässe mit Rissen und Scherben dienten teilweise als Vorlage für die Zeich­nungen. Die Künstlerin erzählt von der Frage danach, wie das Wahrnehmen von Versehrtheit in allem dar­gestellt werden könnte. Der Versehrtheit Form und Struktur zu geben sei notwendig, um weiterleben zu können. So sind Bilder entstanden von Hüllen, mensch­lichen und tierischen, fallenden Körpern, verschlun­genen Wesen, hingeworfen manches, anderes wie schwebend, alles scheint weich gebettet auf den wol­kigen Farbverläufen der Tusche.
Die Bilder zeigen Versehrtheit. Auch die Texte dieses Hefts geben auf ihre je eigene Art und Weise die Sicht frei auf versehrtes Sein und die Widerstandskraft des Lebens.

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