Inhaltsübersicht
Li Hangartner
Über die Erotik – ein Symposion
Erotik – was ist das für mich?
- Hélène Geiser: Erotik als Lebensgefühl
- Katalin Gödrös: Über Erotik
- A.: Ich lasse mich nicht mehr erwischen
Anonym
Frauen sind nun mal erotischer! Eine Collage
Doris Strahm
Erotik als Lebens-Macht/Kraft
Silvia Strahm Bernet
… das Salz aber ist die Phantasie. Eine Art Selbstinterview
Editorial
Kleine Redaktionssitzung in Basel bei Monika Hungerbühler. Wir sitzen auf der Terrasse, der Tag verspricht schön zu werden. Vor uns auf dem Tisch liegen die Bilder ausgebreitet, mit der wir diese FAMA illustrieren wollen. Jede Frau aus dem Redaktionsteam sucht ein Bild und ein Gedicht oder eine Textstelle, die sie erotisch findet, hatten wir abgemacht, doch nicht jede sah sich dazu imstande. Das zeigt etwas von den Schwierigkeiten auf, die wir bei der Vorbereitung des Heftes mit dem Thema hatten.
Sexualität, Erotik, die Themen betreffen uns in besonderer Weise, hautnah sozusagen, und Haut ist verletzlich. Bei Gesprächen über Sexualität und Erotik exponieren wir Seiten von uns, die sonst eher im Hintergrund bleiben. Entsprechend persönlicher war das Gespräch an der Sitzung dadurch, aber auch entsprechend tastender. Denn schnell tritt frau sich dabei zu nahe.
Ein Heft zu Sexualität und Erotik haben wir angekündigt, die Erotik steht nun mit deutlich grösserem Gewicht da. Sie liess sich schon immer in einem umfassenderen, den engen Bezug zur Sexualität sprengenden Sinne verstehen und war so auch immer wieder Thema philosophischer Betrachtungen. In der Form eines Symposions lässt Li Hangartner in ihrem Artikel die Jahrhunderte des Disputes über Erotik und heutige Auffassungen Revue passieren. Eine Frage sticht mich: Sind wir durch diese Gewichtung nicht wieder zu schnell in höheren Sphären gelandet, statt bei unserer Haut zu bleiben? Haben wir uns das Thema damit «vom Leib» gehalten? Ich glaube es nicht, denn die Sexualität ist in der Erotik mit eingeschlossen und findet auch im Heft ihren Platz.
Sicher vom Leib gehalten haben wir uns die brisanteren Themen: die Pornographie-Diskussion zum Beispiel. Sie kommt im Heft nur in einer Fussnote und als Buchhinweis vor. Kurz nach der Redaktionssitzung, in der wir das Heftkonzept erarbeitet hatten, war ich an der Veranstaltung mit Susanne Kappeler in der Paulus-Akademie in Zürich. Unser Vorhaben, die FAMA mit Bildern zu illustrieren, die wir selber erotisch finden, fand ich anschliessend problematisch, doch die Sitzung war vorbei. Wie hätten wir es machen sollen? Leere Rahmen im Heft, die den Platz der Bilder angezeigt und auf die Problematik aufmerksam gemacht hätten?
Auch andere «unschöne» Seiten kommen nicht vor, die eng mit dein Thema der Sexualität verknüpft sind. Die Frage nach der Gewalt in Beziehungen zum Beispiel oder die Frage nach der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Mit mehr Gewicht auf der Sexualität statt auf der Erotik wären diese Fragen wohl nicht zu umgehen gewesen. So ist es nun eher ein Heft über die schönen Seiten des Lebens geworden, aber auch das darf einmal sein, finde ich.
Erotik, verstanden in einem umfassenderen Sinn als Lebensmacht, als Zuneigung zur Welt, Erotik als etwas, das Beziehungen ermöglicht, die sich der anderen nicht bemächtigen, sie nicht beherrschen, ist auch Thema von neueren Ansätzen in der feministischen Theologie. Doris Strahm stellt ein solches Konzept von Erotik sowie zwei dieser feministisch-theologischen Ansätze in ihrem Artikel vor. Ist es ein Zufall, dass diese Positionen häufig von Frauen vertreten werden, die Diskriminierung in doppelter Weise erfahren haben? Carter Heyward als lesbisch lebende Frau und Rita Nakashima Brock als Frau mit asiatischem und puertoricanischem Hintergrund. Oder ist es diese Erfahrung, die sie in besonderer Weise dafür sensibilisiert, nach der Achtung voreinander trotz der Unterschiede und nach der Gerechtigkeit in Beziehungen zu fragen?
Vor uns auf dem Tisch liegen die Bilder ausgebreitet und wir müssen die Auswahl treffen. Nicht alle sind sich über alle Bilder einig, und das, was wir schliesslich auswählen, stellt einen Kompromiss dar: Bilder, die die einen erotisch fanden, sind nun nicht im Heft, während andere drin sind, die sie nicht erotisch fanden. Bei aller Übereinstimmung in Grundfragen werden hier die Unterschiede spürbar. Unterschiede in der Art, wie wir die Welt, wie wir Frauen und Männer und wie wir uns selber wahrnehmen.
Barbara Seiler