Inhaltsübersicht
Ina Praetorius
Frau sein auf dem Land
Margrit Marberger, Pia Lustenberger, Susanne Kramer-Friedrich
Frauen auf dem Land
Christine Soland Vögrli, Regula Würgler-Zweifel
Projekte
Das Leben ist Arbeit
Regula Würgler-Zweifel
Ethnopsychoanalyse
Martina Müller
Lieber eine Feministin auf Erden …
Editorial
«Feministische Theologie auf dem Land» ist nicht etwa das Resultat einer Forschungsarbeit und will auch keinen Gesamtüberblick über die theologischen Fragestellungen von Frauen, die auf dem Land leben, vermitteln. Wohl aber eine Anregung zum Forschen sein, wie es im Einleitungsartikel von Ina Praetorius heisst.
Mit der Wahl dieser Thematik geht es uns in erster Linie um die Feststellung, dass es die Feministische Theologie – auch hier im deutschsprachigen Raum – nicht gibt, dass sie im städtischen Milieu entstanden ist und somit primär die Lebenswirklichkeit von Frauen in Städten und Agglomerationen, ihre religiösen Prägungen und Bedürfnisse, ihre Erfahrungen mit der Institution Kirche widerspiegelt.
Ausgangspunkt unserer Diskussion im Redaktionsteam war die Frage, ob die Erkenntnisse und politischen Forderungen des Feminismus vor allem auf die Verbesserung des gesellschaftlichen Status von Stadtfrauen abzielen und nicht so sehr auf die Veränderung der familiären und gesellschaftlichen Situation der Frauen auf dem Land. Oder ob die Feministische Theologie Frauen auf dem Land überhaupt erreicht, ob sie ihre Lebenswirklichkeit anspricht, ihre Fragen thematisiert.
Bei der Diskussion um den Kontext Feministischer Theologie denken wir in erster Linie an die Bestimmung weiblicher Lebenszusammenhänge im deutschsprachigen Raum, im europäischen Kontext und wissen um die Problematik theologischer Aussagen, die Universalität und Allgemeingültigkeit beanspruchen. Dabei sind uns jedoch die Unterschiede zwischen Stadt- und Landfrauen, zwischen Arbeiterinnen und bürgerlichen Hausfrauen, zwischen Frauen überhaupt bis anhin zu wenig präsent gewesen. Gerade durch das Wachsen der Frauenkirche in ländlichen Gegenden hat das Thema «Feministische Theologie auf dem Land» an Aktualität gewonnen. In den regionalen Gruppierungen leben in etwa gleichviel Frauen auf dem Land wie in der Stadt, der weitaus grössere Teil der Aktivitäten jedoch wird von Stadtfrauen initiiert und findet in städtischer Umgebung statt. Immer wieder wird der Vorwurf laut, dass wir Stadtfeministinnen und -theologinnen unsere Anliegen nicht aufs Land hinaustragen, unsere Bildungsangebote und die Frauengottesdienste sich auf die Stadt konzentrieren und Frauen vom Land dadurch der Zugang erschwert wird. Das stimmt sicher. Steckt aber hinter diesem Vorwurf nicht ein Anspruch, dem Stadtfrauen gar nicht Folge leisten können? Sollen Landfrauen darauf warten, entdeckt zu werden, oder geht es darum, wie Ina Praetorius schreibt, «die Theorie des eigenen Lebens selbst in die Hand zu nehmen und überall dort, wo es offene Fragen gibt, mit der Suche nach Antworten zu beginnen»?
Verbirgt sich hinter diesem Vorwurf nicht auch die Erfahrung des Alleinseins, wie es in den verschiedenen Berichten von feministisch-theologisch engagierten Frauen in dieser FAMA zum Ausdruck kommt? Welches sind die geeigneten Strategien für Frauen auf dem Land, um ihrer Isolation entgegenzuwirken, um Gemeinschaft zu schaffen und zu stärken und ihre Einsichten und Forderungen der Öffentlichkeit zu vermitteln? Wie Vernetzung zustande kommt, welche bereits vorhandenen Strukturen dabei zu Hilfe genommen werden können, um die unterschiedlichsten Frauen ansprechen zu können, sind Fragen, die uns künftig vermehrt beschäftigen werden. Der Weltgebetstag für Frauen ist nur eines dieser Projekte, die einen eigentlichen Sitz im Leben vieler Frauen haben und gerade im Pfarreileben auf dem Land fest verankert sind und deshalb geeignet, Frauen mit feministisch-theologischen Gedanken vertraut zu machen, wie es im Bericht von Christine Soland Vögtli zum Ausdruck kommt.
Leider konnte der Artikel über die Schlüsselthemen von Frauen, die auf dem Land leben, nicht bearbeitet werden. Die Ermittlung dieser generativen Themen (Freire) in ihrer Bedeutung für die Feministische Theologie ist im Hinblick auf das Leben von Frauen in ländlichen wie auch in städtischen Verhältnissen bisher nur unvollständig erfolgt und bedarf künftig einer sorgfältigen Bearbeitung. Wie schon zu Beginn gesagt, gewährt diese FAMA einen ersten Einblick in die Erfahrungswelt feministisch-theologisch engagierter Frauen auf dem Land. Dabei sind mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben worden. Fragen, die auffordern, sich selber auf die Suche nach Antworten zu begeben. Fragen, die dazu drängen, sich mit der eigenen Lebenswirklichkeit, ob in der Stadt oder auf dem Land, auseinanderzusetzen.
Li Hangartner