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Inhaltsübersicht

Für die Nummer 1/2005 der FAMA wählte das Redaktorinnenteam verschiedene Bereiche aus, die sich mit «Leidenschaft» und «Leidenschaftlichkeit» assoziieren lassen. Für viele Tätigkeiten gilt: Sollen sie etwas bewirken, muss ihnen ein Moment des Leidenschaftlichen innewohnen. Das macht sie konfliktträchtig und kreativ zugleich und alles hängt davon ab, für welche Ziele und auf welche Weise das innere Feuer eingesetzt wird. Das Heft bietet ein mannigfaltiges Panorama leidenschaftlichen Seins und Engagements verschiedener Frauen in Gegenwart und Geschichte.

Angeline Fankhauser
Leidenschaftlich gegen Ungerechtigkeiten kämpfen

Li Hangartner
Rosa Luxemburg: Adler mit Taubenherz

Graziella Schmidt, Heidi Rudolf
Heilende Leidenschaft Liebe

Franziska Edelmann
Maria Magdalena
Hoffnungsträgerin aus Leidenschaft

Béatrice Acklin Zimmermann
Leidenschaftliche Gottesliebe

Beatrice Knechtle
Der spirituelle Weg: Leidenschaftliche Umkehr

Judith Schröter
Leidenschaft im Beruf

Pia Moser
Leidenschaftlich Lehrende und Lernende


EDITORIAL

Irina Bossart

Haben Sie eine Passion, liebe Leserin, lieber Leser? Irgendetwas, in dem Sie ganz aufgehen, in das Sie sich völlig hinein geben, wo Sie total zugegen sind? Tanzen vielleicht oder debattieren? Lesen, kochen, küssen oder spielen? Schwimmen? Streiten? … Bei der Konzeption der vorliegenden FAMA-Nummer standen anfänglich zwei Begriffe gleichberechtigt nebeneinander: Interesse und Leidenschaft, ersteres im Sinn von Anteil nehmen, Aufmerksamkeit schenken und Dabei-Sein. Das Stichwort «Interesse» war mit der Beobachtung verknüpft, dass viele Menschen kein richtiges Interesse mehr für Dinge zeigen oder aufbringen (können), mit denen sie berufs- oder studienhalber tagtäglich konfrontiert sind. Offenbart sich da die andere Bedeutung von «Inter-esse»: das Dazwischen-Sein und damit auch ein Unbeteiligt-Sein in Form von Gleichgültigkeit? An der Redaktionssitzung machte dann (in der diskursiven Ausmarchung) der andere Begriff – die Leidenschaft – das Rennen. Ein hoch aufgeladenes Wort, dicht umsponnen mit tausendfachen Assoziationen, belegt mit Erinnerungen, Sehnsüchten, Wünschen, Ängsten – apropos Ängste:  «Haben Sie Angst vor Leidenschaft, vor Leidenschaftlichkeit? Welche Gefühle beschleichen Sie, wenn Sie das Wort Leidenschaft hören? Welche Bilder tauchen auf? Wo wagen Sie leidenschaftlich zu sein? Wann wird es Ihnen peinlich, wenn jemand leidenschaftlich ist? Was macht Angst an Leidenschaft?» So fragt Verena Kast in ihrem Buch «Sich einlassen und loslassen» (Herder Spektrum, 12. (!) Auflage 2002, 137). Und sie fährt fort: «Die Heftigkeit wohl, die in ihr ist, das Gefühl, dass wir die Leidenschaft nicht kontrollieren können, ihre Gefühlsintensität, die uns ergreift und uns über uns hinaus trägt, uns zu einem Verhalten bringt, das nicht rechnet, nicht spart, sondern alle unsere Energien auf etwas hin zentriert, dem eben unsere Leidenschaft gilt, ohne Rücksicht auf Verluste. Der Leidenschaft eignet etwas Massloses – und eben deshalb wird ohne Leidenschaft auch nie etwas Grosses getan. […] Aber alle jene Strebungen in uns, die auf Sicherheit bedacht sind, auf Überschaubares, alles in uns, was schon das Übermorgen gern plant, gesichert und fertig hätte, zittert vor der Leidenschaft […].» Diese Ausführungen führen mitten in unser Heftkonzept hinein. Wir wählten verschiedene Bereiche aus, die wir mit dem Wort Leidenschaft in Verbindung brachten. Politik zum Beispiel. Soll sie etwas bewirken, muss darin ein Moment des Leidenschaftlichen enthalten sein. Das macht sie konfliktträchtig, prekär und kreativ zugleich, und alles hängt davon ab, für welche Ziele und auf welche Weise das innere Feuer eingesetzt wird. Leidenschaft muss gepaart sein mit Liebe, Mitgefühl und einem Sinn für Zärtlichkeit, sonst gleitet sie ab in Destruktivität und blinden Eifer. Das Heft bietet ein mannigfaltiges Panorama leidenschaftlichen Engagements und Wirkens verschiedener Frauen in Gegenwart und Geschichte. Angeline Fankhauser hat das Leben selbst leidenschaftlich gemacht, dies ist durchaus in doppeltem Sinn zu verstehen: Erfahrenes Unrecht politisierte sie, brachte ihr Herzblut ins Wallen und drängte sie zur Tat. Resultat ist ein intensives und in ihrem eigenen Urteil ein «schönes» Leben. Auch bei Rosa Luxemburg, aufleuchtend in einer Porträtskizze von Li Hangartner, entzündete sich leidenschaftliches Engagement für die Welt am Leiden Anderer. Sie war getragen und erfüllt von einer grossen Liebe zur Schöpfung und zur Menschheit. Eine leidenschaftliche Liebe zu den Menschen offenbart sich auch in der Heilpraxis von Graziella Schmidt. In einem Radiointerview von vergangenem Sommer sagte sie: «Die stärkste Heilkraft ist die Liebe, glauben Sie mir, die Liebe.» (DRS 2, 25. Juli 2004) Daran schliesst das Gespräch zwischen Heidi Rudolf und Graziella Schmidt in facettenreicher Weise an. Die Erfahrung einer solchen Heilung aus Liebe machte vermutlich einst auch Maria aus Magdala. Franziska Edelmann thematisiert in ihrem Beitrag das Potenzial dieser Figur; dabei interessiert sie vor allem, weshalb die christliche Interpretationsgemeinschaft sich «so leidenschaftlich und lustvoll» mit Maria Magdalena auseinander gesetzt hat. In einem weiteren Artikel stellt Béatrice Acklin Zimmermann die literarisch und theologisch verdichteten Lebensbeschreibungen spätmittelalterlicher Nonnen aus süddeutschen Dominikanerinnenklöstern vor. Es handelt sich bei den Viten um eine Form «narrativer Theologie». Sie geben Zeugnis von weiblicher Lebensleidenschaft und intensiver Gottesliebe. Auch heute noch vermag eine tiefgründige spirituelle Suche zu faszinieren. Die Buddhistin Beatrice Knechtle skizziert den zuweilen missverstandenen buddhistischen Weg und bezeichnet ihn als «leidenschaftliche Umkehr». Einen anderen Weg der Hingabe praktiziert Judith Schröter. Sie ist eine passionierte Steinbildhauerin und kann von sich sagen: «Mein Beruf ist meine Leidenschaft.» Beruf und Leidenschaft sind auch bei Pia Moser gepaart. Berufshalber ist sie eine «leidenschaftlich Lehrende und Lernende»: Sie unterrichtet als Dozentin am Moravian Theological College Motheco in Tansania angehende Pfarrer und zunehmend auch Pfarrerinnen. Dabei erfährt sie Frauenpower, wird aber auch konfrontiert mit anderen Standpunkten und Blickwinkeln. Die versammelten Beiträge sind exemplarisch. Es liessen sich mühelos eine Fülle weiterer Porträts und Artikel in den aufgespannten Fächer einreihen. Vielleicht fügen Sie im Geiste Ihren Beitrag hinzu … Wir bebilderten die vorliegende FAMA mit Momentaufnahmen aus der Welt des Tanzes. Im Tanz, in dessen Mittelpunkt der Körper steht – um den sich alles dreht –, sind die Tanzenden (kon-)zentriert, bei sich, und werden zugleich Ausdruck, Zeichen für pulsierend-intensives und manchmal auch für transzendierend-schwebendes Leben.

2005_1_Ganzes Heft als PDF