Inhaltsübersicht
Ist das wahr? Oder ein Gerücht? Nicht erst im postfaktischen Zeitalter ist diese Unterscheidung gar nicht so leicht. Wer sagt denn schon, was wahr ist? Traditionell die Kirche, aber das ist länger her. Die Wissenschaft? Die Wirtschaft? Oder genauer: Die reichen weissen Männer, die ihre Sicht als objektiv und damit einzig wahre positionier(t)en? Oder liegt die Wahrheit im Gefühl? Oder sind das alles nur Gerüchte und die Wahrheit hat längst ausgedient?
Freuen Sie sich auf eine feministische Gerüchteküche mit Wahrheitsgehalt!
Editorial
Tania Oldenhage
Wahrheit hinterfragen
Hat feministische Forschung
zu fake news geführt?*
Geneva Moser
Nicht wissen wollen
Eine feministische Kritik am Postfaktischen
Esther Burri
(Un)Wahrheit(en)
Was wir unseren Kindern erzählen
Li Hangartner
Das Gerücht vom leeren Grab
Ulrike Bail
«Ich höre das Gerede vieler»
Lüge und Gerücht im Alten Testament
Franziska Holzfurtner
Gerücht als weibliche Waffe?
Über einen gefährlichen Mythos
Monika Hungerbühler
FAMA
Eine gute Kunde bis heute
* Dieser Artitkel ist auf famabloggt.wordpress.com
Editorial
Wer kennt sie noch, die kleine rotzfreche Göre mit den roten Zöpfen und den Sommersprossen. Ohne Eltern konnte sie tun und lassen, wie sie wollte. Kein Wunder, wollte sie nicht erwachsen werden, sondern die Welt nach eigenem Gusto verstehen und gestalten. Wie heisst es so schön im Pippi Langstrumpf- Lied: «Ich mach› mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt… «
Schon lange sind Feminist*innen und aktuell in besonderem Mass Genderforscher*innen mit dem Vorwurf konfrontiert, sie wollten die Welt nach eigenem Gutdünken zurechtbiegen. Mit ihrem Beharren darauf, dass Forschungsinteresse und Erkenntnis vom Standpunkt der jeweiligen Person abhängig ist, würden sie dazu beitragen, dass alles beliebig wird. Was wahr und unwahr, was Fakt oder eben doch eine Verdrehung von Tatsachen ist, liesse sich so nicht mehr unterscheiden. Auch Normen, die sinnvollerweise das Zusammenleben von Menschen regeln und zugleich vereinfachen, würden so verunmöglicht. Am Ende hätten Feminist*innen und Genderforscher*innen Anteil an der Entwicklung zum postfaktischen Zeitalter, wo sich jedermann und jedefrau die eigene Wahrheit zurechtzimmert. Wenn nur noch zählt und emotional bewegt, was ins eigene Weltbild passt, braucht es weder mühsame Denkarbeit noch differenziertes Argumentieren. Doch so einfach geht das nicht. Das zeigt die aktuelle FAMA. Nichts von unterstellter Beliebigkeit, sondern ein Beitrag dazu, dass ein Gerücht auch als solches entlarvt werden kann.
Wenn einer Person ein bestimmter Charakterzug zugesprochen wird, wirkt das wie ein Gerücht. Es verändert das Gesicht dieser Person in den Augen der Betrachterin oder des Betrachters. Dieser Gedanke hat die Künstlerin Heinke Torpus nicht mehr losgelassen. Sie hat eigens für die FAMA das Selbstporträt der von ihr sehr geschätzten Malerin Pat Noser variiert. Nicht nur das, sie hat den einzelnen Porträts auch einen bestimmten Charakterzug zugedacht. Überrascht, wenn Sie Maria oder Eva sehen? Wie hätten Sie sich denn diese Frauen vorgestellt?