Inhaltsübersicht
„Warum wollt ihr‘s denn Abschaffen, es ist doch so schön!“ – Gender trouble (Judith Butler) ist schon 30 Jahre her, der Gedanke, dass auch das biologische Geschlecht sozial konstruiert ist und nicht per se gegeben löst aber immer noch viel trouble aus, wie die Frage der Theologen an Genderforscherinnen zeigt. Das Geschlecht abschaffen? Anfeindungen gegen Genderforscher_innen implizieren genau das, die Genderforschung wolle alles in Frage stellen und Grenzen zwischen den Geschlechtern auflösen. Gender ist ein Containerbegriff geworden für liberal, postmodern und beliebig. Das Genderkonzept wird in der Öffentlichkeit angegriffen und löst aus Angst. Deshalb ist es genau jetzt an der Zeit für eine Fama zum Thema Gender, um zu fragen, was steckt hinter den Ängsten und Angriffen. Ist es nicht vielmehr ein subtiler Versuch politische und rechtliche Gleichstellung der Geschlechter zu untergraben. Die Fama setzt hier einen Kontrapunkt.
Editorial
Franziska Schutzbach
Feindbild Gender*
Analyse einer rechtspopulistischen Hetze
Alexandra Borchardt
US-Wahl als Lehrstück des Sexismus
Luzia Sutter Rehmann
Was ist ein Mann?
Blicke in die Bibel
Kerstin Palm
Biologie der Geschlechter
Von den Wechselwirkungen zwischen Körper und sozialer Ordnung
Geneva Moser
Wer ist eigentlich «Wir»? *
Über das Begehren nach feministischen Räumen
Andrea Bieler
Fragmentarische Lebensgestaltung
Herausforderungen für kirchliche Bildungsbemühungen
Moni Egger
Fehlübersetzungen mit Folgen
Korrekturen zur «biblischen Schöpfungsordnung»
* Dieser Artitkel ist auf famabloggt.wordpress.com
Editorial
Gender spielt keine Rolle? Ich habe es mit der Geburt meines ersten Kindes noch viel deutlicher erlebt, wie schnell Genderstereotype greifen. Zog ich meinem Kind farblich neutrale Kleidung an, nahmen es meine Mitmenschen als Buben wahr. Kleidete ich es mit einem rosa Mützchen dazu, war es ein Mädchen. Und wenn mein Gegenüber merkte, dass es falsch lag beim Geschlechterraten, entschuldigte es sich immer aus- führlich. Dabei tat mein Kind nichts anderes als wei- nen, essen und schlafen – es war ja noch ein Baby Gender ist eine Ideologie? Wie ist es dann mit diesen Zahlen: 60 bis 70 Prozent der weltweit Hungernden sind Frauen und Kinder. Obwohl meistens Frauen die Lebensmittel produzieren, haben sie nur beschränkt Zugang zu Wasser, Land, Saatgut und Wissen. Alles Illusion? Alles Fake News? Wieso sind dann die Über- lebenschancen von Frauen und Kindern im Katastro- phenfall geringer als die der Männer? Auf internatio- nalen Klimakonferenzen hat die Frage nach Gender bisher kaum eine Rolle gespielt, obwohl schon 1991in Miami Frauen aus 83 Ländern ihren Widerstand gegen die Umweltzerstörung an ihrer Vorkonferenz zum Umweltgipfel von Rio de Janeiro kundtaten. Selbst der Klimawandel ist nicht geschlechtsneutral, dasselbe gilt für die Arbeitswelt, für die Marketing- und Kon- sumwelt, die Rentensicherheit und und und. Genderstereotype sind Einbildung? Gender prägt alle Bereiche des Alltags. Oder hat es nichts mit Gender- stereotypen zu tun, wenn junge Frauen unbedingt von ihrem Vater in die Kirche geführt werden wollen und sich dort an ihren Partner übergeben lassen. Vorm Altar den Brautverkauf inszenieren – da reicht es nicht, wenn die Braut sagt, sie fühlt sich nicht von ihrem Va- ter an den Ehemann verkauft. In diesem Akt werden Genderstereotype verfestigt, und darüber müssen wir reden. Diese Fama stellt Gender in den Mittel- punkt. Es ist definitiv Zeit. Wir müssen über Gender reden – in jeder Beziehung.